Digitale (Fort-)Bildung ist Pflichtprogramm für Aufsichtsräte und Beiräte
Künstliche Intelligenz fällt nicht einfach vom Himmel und wird auch nicht nach einer Blaupause industriell produziert. Sie ist vielmehr das Endprodukt einer komplexen Struktur von mathematischen Operationen (Algorithmen), die eine vom Menschen nicht mehr zu bewältigende Datenmenge dazu nutzt, Vorhersagen über das Verhalten eines Systems zu machen. Dazu müssen KI-Lösungen aber auf der Basis bereits bekannten Wissens über das betreffende System aufbauen können – wer den Zusammenhang zwischen Wolkenbildung und Regen noch nie erlebt hat, wird auch keine Regenfront als solche erkennen und damit auch keine Prognosen über das kommende Wettergeschehen erstellen können.
Demnach ist jede KI nur so nützlich wie es ihr Erfahrungsschatz (also die bisher vorliegenden Daten und Informationen über das System) erlaubt. Es leuchtet unmittelbar ein, dass die Qualität des „Vorwissens“, die durch intensives Training erworben werden muss, über die Wirksamkeit und Nützlichkeit der Algorithmen entscheidet.
Ausgangsmaterial des KI-Trainings sind Datensätze, die das System beschreiben und es erlauben, bestimmte Vorhersagen über sein weiteres Verhalten zu treffen. Die Genauigkeit der Vorhersagen muss anschließend bewertet werden, woraufhin die vorhandenen Daten neu analysiert und die Prognosen entsprechend angepasst werden können. Die entscheidende Technologie hierfür ist maschinelles Lernen (ML), einschließlich Deep Learning, das durch den Vorgängen im menschlichen Gehirn angenäherte Prozesse die Vorhersagegenauigkeit stetig verbessert.
Die Trainingsprozesse der KI können automatisiert ablaufen oder „überwacht“, also mit menschlicher „Zuarbeit“ erfolgen. In beiden Fällen ist erhebliches Know-how nötig, um die Voraussetzungen für einen effizienten KI-Einsatz zu schaffen, nicht zuletzt hinsichtlich notwendiger Tests und realistischer Bewertungsverfahren. Da KI im Unternehmen sowohl auf operativer als auch auf strategischer Ebene künftig eine wichtige Rolle spielen wird, ist die Entscheidung für ihren Einsatz eine Aufgabe für die Unternehmensführung, bei der der Beirat eine entscheidende Stütze sein kann – wenn seine Mitglieder über ausreichende Digitalkompetenz verfügen.
Es geht beim Training von KI-Lösungen für unternehmenskritische Zwecke nicht allein um technisches Know-how zu neuronalen Netzen & Co., sondern vor allem um tiefe Kenntnisse der Prozesslandschaft im Betrieb, die die Voraussetzungen für ein wirksames „Anlernen“ der Lösungen bilden. Im Idealfall bringen Beiratsmitglieder bereits Projekterfahrung im Bereich der Einführung von KI-Systemen mit, insbesondere bezüglich der Validierungs- und Testmethoden, die die Optimierung der KI erlauben.
Dieser Idealfall ist aber wohl nicht der Normalfall. Beiratsmitglieder sollten daher eine hohe Eigenmotivation zu Fortbildung und Erfahrungsaustausch mitbringen. Angesichts des rasanten Fortschritts auf dem Gebiet der KI ist der Erfahrungshintergrund von heute schnell der Wissensstand von gestern. Ständige Bereitschaft zum Erlernen neuer Erkenntnisse ist somit eine unerlässliche Forderung an moderne Beiräte und Aufsichtsräte. Auch die menschliche Intelligenz muss schließlich trainiert werden…
Sven Neumann, Geschäftsführer des Think Tank impacts4u