Die Verantwortung von Aufsichtsgremien beim Thema Greenwashing

 

Umwelt- und Klimaschutz sowie alle zum weiteren Komplex ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) zählenden ethischen Gesichtspunkte sind in erster Linie Regulierungsthemen. Erst nach klaren Vorgaben der regulierenden Instanzen (insbesondere also EU-Kommission und Bundesregierung) folgen Strategien und Konzepte zu deren Technologie-unterstützter Umsetzung.

Die Definition verbindlicher Standards für diese Richtlinien und Vorschriften, beispielsweise die Taxonomie-Kriterien der EU-Kommission, sind erst zu kleinen Teilen erarbeitet und werden in den kommenden Jahren Schritt für Schritt ergänzt. Inzwischen bieten sich den Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, den hohen Stellenwert von Umwelt- und Klimaschutz in Politik und Gesellschaft auszunutzen, um im grauen Bereich der Regulierungswüste mit scheinbar Anforderungs-konformem Verhalten auf Kundenfang zu gehen. Wer Werbung und Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen beobachtet, erkennt schnell, wie stark Begriffe wie „klimaschonend“ (oder gar „klimaneutral“), „umweltschonend“, „gemeinsam die Welt retten“ usw. verwendet werden, um für Produkte und Dienstleistungen zu werben.

Im Rahmen des Deutschen Corporate Governance Kodex steht zwar ein Leitfaden der Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft zur Verfügung, der gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung börsennotierter Gesellschaften zusammenfasst und Empfehlungen und Anregungen anerkannter Standards für verantwortungsvolles Unternehmensmanagement enthält. Trotz der Überprüfung solcher Standards in den Firmen bleibt ein weiter Spielraum für das berüchtigte Greenwashing, so dass das Verantwortungsbewusstsein von Aufsichtsrats- und Beiratsgremien gefordert ist, das verführerische Ausnutzen der Situation zu verhindern.

Voraussetzung dafür ist selbstverständlich eine entsprechende Kompetenz der Aufsichtsräte, verbunden jedoch mit einem klaren und unbeugsamen Bekenntnis zu den ethischen Aspekten der Geschäftsprozesse im heutigen und zukünftigen Wirtschaftsumfeld. Businessprozesse, Organisation und Technologie müssen in Harmonie mit den langfristigen Zielen verantwortungsbewussten ökonomischen Handelns gebracht und gehalten werden – nicht nur aus Respekt vor den gesetzlichen Regelungen, sondern aus grundsätzlichen Überlegungen heraus, die auch die nachhaltigen Erfolgsaussichten des Unternehmens berücksichtigen.

Um die inzwischen auch wissenschaftlich erforschten und quantitativ untermauerten Vorteile einer ethisch ausgerichteten Unternehmensführung hinsichtlich Image, Ansehen und finanziellem Erfolg in die Unternehmensstrategie zu integrieren, bedarf es einer detaillierten Kenntnis der entsprechenden Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Konzepte. Deren Komplexität steigt ständig weiter an und erfordert daher von Aufsichts- und Beirat große Professionalität und permanente Fortbildung. Absichtserklärungen und Scheinaktivitäten reichen angesichts zunehmender Berichtspflichten und Überprüfungen keinesfalls mehr aus. Ohne einen wachsamen, kompetenten Aufsichtsrat mit klarem Bewusstsein für die ethischen Fragestellungen unserer Zeit ist ein langfristiges erfolgreiches Agieren moderner Unternehmen nicht mehr vorstellbar.